Aktuelle Rezensionen
Bettina Braun/Katrin Keller/Matthias Schnettger (Hgg.)
Nur die Frau des Kaisers? Kaiserinnen in der frühen Neuzeit
(Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 64), Wien 2016, Böhlau, 272 SeitenRezensiert von Peter Claus Hartmann
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 27.04.2018
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die Veröffentlichung einer Tagung, die die Herausgeber/innen in Kooperation mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung durchgeführt haben.
Dabei wurden Fragestellungen aufgegriffen, die bei der Tätigkeit von Katrin Keller als Gastprofessorin für Frauen- und Geschlechtergeschichte am Historischen Seminar der Johannes-Gutenberg-Universität im Jahr 2008 eine Rolle gespielt haben und die sie ausgearbeitet hat. Man stellte fest, dass hier eine wichtige Forschungslücke besteht. Einen bedeutenden vergleichenden Reflexionshintergrund für die vorliegenden Forschungsergebnisse zu den frühneuzeitlichen Kaiserinnen bieten dabei die Beiträge von Amalie Fößel zu den Handlungsräumen und Strategien spätmittelalterlicher Kaiserinnen und der von Rubén González zu den spanischen Königinnen Anna, Margaret und Marianne aus dem Hause Habsburg.
In ihrer Einleitung zeigt Katrin Keller gekonnt auf, dass die Kaiserinnen der frühen Neuzeit gewisse Privilegien und Rechte besaßen, die aber in der Reichsverfassung kein größeres Gewicht hatten. Vielmehr beruhte ihre rechtliche Stellung ausschließlich auf ihrer Eheschließung mit der „Majestät“ ihres Gemahls. Immerhin erhielten die Kaiserinnen seit 1612 durch ihre separate Krönung einen gewissen Amtscharakter. Trotzdem hatten, so Keller, Frauen in der Geschichte des Alten Reiches „einen marginalen Stellenwert“.
Wenn sie betont, dass Kaiserinnen im Gegensatz zu französischen oder englischen Königinnen keine Regentinnen waren, so müsste man darauf hinweisen, dass im frühneuzeitlichen Reich dies verfassungsrechtlich gar nicht möglich war, da die Kaiser im Gegensatz zu den Erbmonarchien Frankreich und England gewählt wurden und mit dem Tod des Reichsoberhauptes auch jede Reichsfunktion seiner Gattin endete, somit eine Reichsregentschaft der Gattin ausgeschlossen war.
Die einzelnen Beiträge des vielseitigen Sammelbandes versuchen erstmals in systematischer Weise nach Handlungsfeldern verschiedener Generationen von Kaiserinnen zu fragen. Damit wird ein geschlechtergeschichtlicher Zugang zur Reichsgeschichte gefunden und ein neues Licht auf das Amt der Kaiserinnen geworfen. Dabei treten oft zwei Ebenen von Handlungsräumen dieser Kaiserinnen zutage, und zwar die als Gattinnen der Reichsoberhäupter und die als Fürstinnen und Erzherzoginnen.
Im Einzelnen präsentieren Christina Lutter und Daniela Unterholzner das Scheitern der Bianca Maria Sforza als „Fürstin ohne Ort“ und Alexander Koller „Maria von Spanien, die katholische Kaiserin“. Deren wichtigste Funktion war, mit Unterstützung Spaniens und des Papstes den Übertritt des der neuen Lehre zugetanen Kaisers Maximilians II. zum Protestantismus zu verhindern und die streng katholische Erziehung der Kinder zu sichern. Dadurch spielte Maria von Spanien eine entscheidende Rolle, das Kaisertum katholisch zu erhalten und auf Dauer eine protestantische Konfessionalisierung des Kaisertums zu verhindern.
Elena Taddei behandelt in ihrem Beitrag „Anna von Tirol: ‚Kaiserin für Gottes Gnaden’?“ die erste Gattin eines Kaisers, die 1612 von diesem getrennt gekrönt wurde. Matthias Schnettger vergleicht Lebensweg und Stellung der Kaiserinnen aus dem Haus Gonzaga: Eleonora die Ältere und Eleonora die Jüngere, während Andrea Sommer-Mathis ihren Beitrag der spanischen Infantin – Königin von Ungarn und Böhmen widmet, der ersten Gattin Kaiser Ferdinands III. Das Leben der dritten Gattin Kaiser Leopolds I., Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg, die an sich nur dritte Wahl war, aber aufgrund ihrer starken Persönlichkeit und ihrer Fruchtbarkeit eine starke Rolle am Hof spielte, analysiert Josef Johannes Schmid, während sich Michael Pölzl den beiden Kaiserinnen aus den norddeutschen Dynastien Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Wolfenbüttel widmet.
Britta Kägler behandelt sodann Maria Amalia, die Gattin des Wittelsbacher Kaisers Karls VII. „als machtbewusste Kaiserin(witwe) in München“ und Bettina Braun die große Ausnahmeerscheinung Maria Theresia, „Herrscherin aus eigenem Recht und Kaiserin“. Sie war zwar Kaiserin nur weil ihr Gatte Franz I. von Lothringen zum Kaiser gewählt wurde und weil die immer männlichen Kurfürsten nach Reichsherkommen ausschließlich einen Mann zum Kaiser wählten. Aber als herrschende Landesherrin, Königin von Böhmen und Königin von Ungarn, hielt sie die volle Macht in Händen. Obwohl Franz Stephan die Kaiserwürde besaß, war hier, wie Barbara Stollberg-Rilinger in ihrem Schlusskommentar betont, „die Geschlechterrolle geradezu auf den Kopf gestellt“, da hier die Kaiserin, die sich nicht zur Kaiserin krönen ließ, überall dominierte. Ellinor Forster schließlich stellt in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen die letzte Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches, Marie Therese von Neapel-Sizilien (1792-1806).
Nach diesem bunten Strauß durchwegs interessanter, gut dokumentierter Beiträge folgt ein Kommentar von Barbara Stollberg-Rilinger, in dem sie darauf hinweist, dass im Gegensatz zu früher heute die Menschheitsgeschichte und vor allem die Politikgeschichte nicht mehr reine Männergeschichte sei. Damals, im Zeitalter der dynastischen Politik, hatten die Frauen, so betont sie, nicht den gleichen Handlungsspielraum wie die Männer. Allerdings waren die Frauen im Gegensatz zu modernen Gesellschaften mit Männerwahlrecht in der Vormoderne „nicht grundsätzlich politisch exkludiert, sondern besaßen nur geringere Rechte als ihre Ehemänner in einer allgemein von Ungleichheit geprägten Gesellschaft“.
Die hier vorliegenden Beiträge liefern viel Anschauungsmaterial, wie die frühneuzeitlichen Kaiserinnen in dem jeweils vorgefundenen Spannungsfeld zwischen den dynastischen Interessen und ihren Herkunfts- und Ankunftsfamilien agieren und Einfluss nehmen konnten.
Der vielseitige, interessante Tagungsband schließt in jedem Fall eine wichtige Forschungslücke zur Reichsgeschichte der frühen Neuzeit.