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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Ferdinand Heimerl

Nordafrikanische Sigillata, Küchenkeramik und Lampen aus Augusta Vindelicum/Augsburg

(Münchner Beiträge zur Provinzialrömischen Archäologie 6), Wiesbaden 2014, Reichert Verlag, 155 Seiten, mit 17 Abbildungen, 19 Tafeln
Rezensiert von Martin Auer
In: Bayerische Vorgeschichtsblätter
Erschienen am 30.04.2018

In der aus einer Magisterarbeit hervorgegangenen Publikation beschäftigt sich Ferdinand Heimerl mit den in der römischen Stadt keramischen Importen aus Nordafrika.

Das Werk beginnt mit einer kurzen methodischen Einleitung, in der die Bedeutung der Fundgattung für die Kenntnis zur Spätantike in Augsburg hervorgehoben wird (S. 9–12). Die Forschungsgeschichte zur nordafrikanischen Keramik in Augsburg wird in der Folge kurz dargelegt (S. 13–14). Dabei wird darauf hingewiesen, dass sich die Gesamtzahl der Fragmente seit der letzten Vorlage dieser Fundgattung durch Lothar Bakker im Jahr 1985 mehr als versiebenfacht hat und nun der Bestand im vorliegenden Werk gesammelt vorgelegt wird. Abgeschlossen wird der einleitende Teil des Buches mit einem Blick auf den Forschungsstand zur nordafrikanischen Sigillata (S. 15–19), in dem die maßgebliche Literatur zitiert wird.

Die Analyse des Materials (S. 21–61) umfasst über 450 Sigillatafragmente, sieben der Küchenkeramik zuzurechnende Gefäße und 20 Lampen aus nordafrikanischen Produktionszentren. Da die Funde aus mehreren unterschiedlichen Grabungskampagnen stammen, die zum Teil noch nicht ausgewertet sind, bleibt die Vorlage auf eine antiquarische Analyse der entsprechenden Fundstücke beschränkt. Nur in Einzelfällen war es dem Autor möglich, die Befunde und die Vergesellschaftung mit anderen Fundgattungen einzubeziehen. Die Gliederung der Sigillata folgt einer Einteilung der Scherbenqualitäten und die damit verbundenen methodischen Probleme werden kurz erläutert. Innerhalb dieser, durch eine makroskopische Analyse des Bruches gebildeten, auf verschiedene Produktionszentren hinweisenden Gruppen, werden die morphologisch definierten Formen nach J. W. Hayes besprochen. Zu jeder in Augsburg vorhandenen Form werden die entsprechenden Fragmente mit Verweisen auf die Abbildung im Tafelteil angeführt. Schließlich wird die Chronologie der einzelnen Formen anhand von publizierten Fundkomplexen aus dem gesamten Mittelmeerraum thematisiert. Dabei bleiben die Ausführungen des Autors stets wertungsfrei und es wird lediglich die maximal mögliche Datierungsspanne eruiert. Die der Sigillata folgenden Gattungen der Küchenkeramik (S. 47–51) und Lampen (S. 51–61) folgen in der Präsentation demselben Schema, allerdings sind die Scherbenqualitäten hier der Formanalyse untergeordnet.

Es folgt die archäologisch-historische Auswertung des vorgelegten Fundspektrums. Im ersten Teil derselben wird auf die Chronologie, Quantität und Provenienz des Materials eingegangen (S. 63–64). Dabei zeigen sich erste Importe bereits ab dem späten 1. Jahrhundert n. Chr., während die Hauptmasse der Keramik nordafrikanischer Provenienz vom zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts bis in das beginnende 5. Jahrhundert n. Chr. zu datieren ist. Die Frage nach den Belieferungsstrukturen und den Handelsrouten während der mittleren Kaiserzeit kann bislang nicht eindeutig geklärt werden (S. 64–65). Zwar weist das inschriftlich belegte Vorhandensein von spezialisierten Keramikhändlern auch in Augsburg auf eine entsprechende Organisation des Handels hin, eine Unterscheidung zwischen Waren, die durch organisierten (Groß) handel oder persönlichen Transport nach Augsburg gelangten, ist jedoch auf Basis der Fundmengen nur zu vermuten. Die Verteilung der Fundstellen nordafrikanischer Importe der mittleren Kaiserzeit im Stadtgebiet (S. 66–68) lässt keine Konzentration auf bestimmte Areale erkennen. Auch weist der Autor darauf hin, dass der überwiegende Teil des analysierten Fundmaterials aus rezent gestörten Schichten stammt und somit die Originalfundlage in unmittelbarer Umgebung dieser Kontexte nur angenommen werden kann. Für die Zeit ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. schließt Heimerl aus dem Anstieg der Fundzahlen auf ein stark gesteigertes Handelsvolumen (S. 69–74). Damit geht eine Anbindung Augsburgs an den oberen Adriaraum einher, die bis in das beginnende 5. Jahrhundert n. Chr. intakt gewesen sein dürfte. Interessant ist die Gegenüberstellung der Waren aus unterschiedlichen Produktionszentren in Augsburg (Abb. 10). Es zeigt sich bei einem insgesamt ausgewogenen Verhältnis, dass bestimmte Formen ausschließlich aus einer Produktionsregion stammen, während andere Formen in divergierenden Scherbenqualitäten vorliegen. Ob die Absenz von nordafrikanischem Kochgeschirr in Zusammenhang mit den in Raetien verbreiteten Lavezgefäßen steht (S. 72), muss aufgrund des abweichenden Formenspektrums und der unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten dieser Gefäßgattungen offen bleiben. Die Verwendung nordafrikanischer Keramikimporte endet schließlich spätestens in der Mitte des 5. Jahrhunderts n. Chr. (S. 74).

Im Folgenden widmet sich der Autor der Aussagekraft nordafrikanischer Importe hinsichtlich der spätantiken Siedlungsausdehnung und -kontinuität (S. 74–83). Dabei sind Heimerl die methodischen Einschränkungen durch das Fehlen ausgewerteter Grabungsbefunde bewusst, worauf er nochmals eigens hinweist (S. 74). Trotzdem legen die bislang ausgewerteten Befunde eine kontinuierliche Benutzung von Teilen des Stadtgebietes von der Spätantike zum Mittelalter nahe (S. 77–78). Dass die spätantike Nutzung bis in das 5. Jahrhundert n. Chr. hinein das gesamte ummauerte Stadtareal betrifft, kann der Autor durch einen Exkurs zu weiteren spätantiken Fundgattungen belegen (S. 78–83).

Abschließend wird die Verbreitung nordafrikanischer Feinkeramik in der gesamten Provinz Raetia thematisiert (S. 83–91). Dabei wird deutlich, dass die Stadt Augsburg ein Zentrum der weite Teile der Provinz erreichenden Belieferung war. Die Frage nach den Absatzgebieten bestimmter nordafrikanischer Produzenten innerhalb des raetischen Gebietes (S. 86–87) dürfte sich in dieser Form wohl nicht stellen, da eine direkte Verbindung Raetiens mit Nordafrika kaum anzunehmen ist. Vielmehr dürfte der Handel über mehrere Stationen erfolgt sein, wobei auch nicht verwundert, dass „keine regional voneinander abgrenzbare(n) Absatzgebiete“ (S. 86) erkannt werden können.

Spannend ist hingegen die Frage, weshalb der Osten der Provinz nur sehr wenige nordafrikanische Importe aufweist (Abb. 16). Heimerl nimmt unter Berufung auf Markus Gschwind an, dass hier unterschiedliche Absatzmärkte greifen. Während im Westen nordafrikanische Waren anzutreffen sind, ist der Nordosten der Provinz von weiter östlich gelegenen Gebieten beeinflusst. Dort kommen in der Spätantike vorwiegend glasierte Gefäße und Keramik mit Einglättverzierungen auf (S. 88). Auch hier wäre wohl zu berücksichtigen, dass die funktionalen Eigenschaften dieser Gefäßgattungen teils stark von jenen nordafrikanischer Importe abweichen. Somit könnte eine Erklärung für die Seltenheit nordafrikanischer Keramik im Nordosten der Provinz in divergierenden Speisegewohnheiten zu suchen sein. Diese wiederum wären als ein Indiz für eine sich verändernde Bevölkerungsstruktur zu werten, wie dies vom Autor auch in Bezug auf den während des 5. Jahrhundert n. Chr. versiegenden Zustrom nordafrikanischer Importe angenommen wird (S. 90–91).

Die Veröffentlichung endet mit Zusammenfassungen in deutscher, englischer und italienischer Sprache (S. 93–98). Daran anschließend finden sich ein detaillierter Katalog der Augsburger Funde (S. 99– 131), eine Tabelle zu den naturwissenschaftlich untersuchten Referenzstücken (S. 133) und eine überaus hilfreiche Formen-Konkordanztabelle (S. 134–135). Weitere Listen betreffen die Augsburger Fundorte und die „Rohdaten“ für die im Buch abgebildeten Verbreitungskarten (S. 137–145). Der ausführlichen Literaturliste (S. 147–155) folgt nach dem Abbildungsnachweis (S. 157) ein 396 Fundstücke umfassende Tafelteil (Taf. 1–17), der mit Farbfotos ausgewählter Stücke abschließt (Taf. 18–19). Das hier vorliegende Werk kann als überaus gelungene Fortsetzung der Münchner Beiträge zur Provinzialrömischen Archäologie bezeichnet werden. In den letzten Jahren wurden in dieser Reihe wissenschaftlich relevante Funde und Befunde aus römischen Kontexten vorgestellt. Mit den Ausführungen zur Nordafrikanischen Sigillata, Küchenkeramik und den Lampen aus Augusta Vindelicum ist jedem Archäologen, der sich mit nordafrikanischen Importen in Raetien und darüber hinaus beschäftigt, ein wichtiges Werkzeug an die Hand gegeben. Die in der weiteren Region gängigen Formen werden ausführlich beschrieben und die Literatur angeführt. Da die Ansprache des makroskopisch untersuchten Scherbens einen wichtigen Bestandteil der Materialansprache bildet, wären entsprechende Abbildungen der frischen Brüche jedoch wünschenswert gewesen. Die Analyse des Materials profitiert nicht zuletzt von den grundlegenden Arbeiten Michael Mackensens und spiegelt ein hohes wissenschaftliches Niveau der zugrunde liegenden Magisterarbeit wider.